Louise Schroeder

Leben und Wirken der Louise Schroeder

Louise Dorothea Sophie Schroeder, geboren am 02. April 1887 in Hamburg-Altona, wuchs mit ihren vier älteren Geschwistern in der sozialdemokratischen Hochburg Ottensen auf. Als Kind einer Arbeiterfamilie wurde sie schon früh mit Armut und Mangel konfrontiert; ihr Vater Karl Schroeder verdiente als Bauarbeiter zu wenig – seine unregelmäßigen Einkünfte reichten nicht aus, um die Familie zu ernähren. Also unterhielt ihre Mutter Dorothea Schroeder zusätzlich einen kleinen Gemüseladen,  um den Lebensunterhalt zu sichern.

Louise fühlte sich bereits seit Kindertagen tief mit der Sozialdemokratie verbunden; oft begleitete sie ihren Vater, der Mitglied bei der ortsansässigen Arbeiterbewegung war, zu Mai- und Parteifesten. Politisches Interesse wurde ihr praktisch in die Wiege gelegt. Es ist anzunehmen, dass sie sich bald der heimischen sozialdemokratischen Frauenbewegung anschloss.

Nach dem Besuch der Mittelschule (1893 – 1901) ging Louise dank finanzieller Unterstützung durch Verwandte  nach Hamburg und absolvierte dort ein Jahr an der Gewerbeschule für Mädchen. Mit 16 fand sie Arbeit bei einer europäischen Versicherungsgesellschaft, bei der sie 17 Jahre blieb. Als Stenotypistin eingestellt, arbeitete sie sich hier zur Chefsekretärin hoch und eignete sich umfangreiche Englisch- und Französischkenntnisse an.

Im Jahre 1910 trat sie in die SPD ein. Konnten Frauen bis vor Kurzem politischen Versammlungen ausschließlich beiwohnen ohne mitdiskutieren zu dürfen, durften Frauen jetzt offiziell Parteien und politischen Vereinigungen beitreten, wodurch der Anteil weiblicher SPD-Mitglieder damals bereits bei 12% lag.

Als die Partei 1914 den Krieg bejahte, war dieser Sinneswandel der jungen Frau schier unbegreiflich: sie als Pazifistin wandte sich strikt gegen Krieg, militärische Ausbildung und Rüstung aller Art. Sie wollte  die Not ihrer Mitmenschen lindern und ihre Lebensqualität heben, setzte sich aktiv für die Beendigung des Völkermordes ein. Auch ihre Familie blieb vom Leid nicht verschont: Louise kümmerte sich um ihre Schwester Anna und ihre Kinder, nachdem ihr Mann an der Front fiel.

Mit dem Ende des Ersten Weltkriegs gab Louise Schroeder 1918 ihren Beruf bei der Versicherungsgesellschaft auf, um sich gänzlich karitativen Aufgaben widmen zu können.

Louise Schroeder gehörte zu den ersten Frauen, die im Januar 1919 als eine von  insgesamt 41 weiblichen Abgeordneten in die Nationalversammlung gewählt wurden. Mit Beginn der Weimarer Republik verzeichnete ein verfassungsgebendes Organ somit erstmals einen Frauenanteil von nicht weniger als 10%. Auch trug sie maßgeblich dazu bei, dass im Sommer desselben Jahres in Hamburg der Ausschuss für soziale Fürsorge gegründet wurde, der wiederum die Basis für die Gründung der Arbeiter Wohlfahrt bildete, welche Louise Schroeder gemeinsam mit Marie Juchacz und Elfriede Ryneck kurz darauf ins Leben rief.

Unter ihren Parteigenossen war Louise Schroeder sehr beliebt: Gegenüber ihren Kolleginnen hatte sie den Vorteil, nicht nur auf politischer Ebene Erfahrung gesammelt zu haben, sondern auch im Berufsleben. Dadurch galt sie als sehr engagiert, allseits informiert und sachkundig. Am Rednerpult argumentierte sie durchaus überzeugend: Mit diplomatischem Geschick und Feingefühl nahm sie den Männern jeglichen Spott, obwohl diese die Anliegen der Frauen nur zu gern als „Weiberkram enttäuschter alter Jungfern“ abtaten.

Louise Schroeder setzte sich in besonderem Maße für die Gleichstellung der Frau ein. Gemeinsam mit anderen engagierten Mitstreiterinnen sprach sie sich aktiv gegen die Diffamierung von unehelichen Müttern und Prostituierten aus, agierte gezielt für die Bekämpfung von Geschlechtskrankheiten und hatte bedeutenden Anteil an der Einführung des aktiven und passiven Frauenwahlrechts sowie des Acht-Stunden-Tages ebenso wie am Erlassen des ersten Mutterschutzgesetzes und des Jugendwohlfahrtsgesetzes in Deutschland. Neben ihrer politischen Tätigkeit hatte Louise Schroeder seit 1925 Lehraufträge an der Schule der Arbeiterwohlfahrt in Berlin und an der Deutschen Hochschule für Politik, heute bekannt als Otto-Suhr-Institut für Politikwissenschaften der Freien Universität Berlin.

Mit dem Zerfall der Weimarer Republik durch die Machtergreifung Hitlers und der Nationalsozialisten zerbrach auch Louise Schroeders Welt: Als im Sommer 1933 die SPD und alle ihr zugehörigen Organisationen von der Regierung verboten wurden, verlor sie mit sofortiger Wirkung all ihre Ämter und ihr Einkommen. Zur Untätigkeit gezwungen, stand sie unter gestrenger Beobachtung der Nationalsozialisten – nicht zuletzt, weil sie noch am 23. März 1933 gemeinsam mit anderen Parteigenossen namentlich gegen das Ermächtigungsgesetz stimmte. In ihrer Heimatstadt Altona hatte sie sich seitdem zweimal täglich polizeilich melden müssen. Mehrmals wurde ihre Wohnung unangekündigt durchsucht. Des Weiteren verweigerten ihr die Behörden jeglichen Anspruch auf Arbeitslosengeld. Aber Louise Schroeder hatte nicht nur sich, sondern auch ihre alte Mutter zu versorgen, und so beschloss sie, ein kleinen Brotladen zu eröffnen. Da sie jedoch den Hitlergruß verweigerte und weder die Hakenkreuzfahne an  sogenannten nationalen Feiertagen hisste noch den „Ariernachweis“ erbrachte, um ihre jüdischen Mitmenschen nicht zu diffamieren, boykottierte man ihr  Geschäft, die Kundschaft blieb aus. Ein Ortswechsel schien daher unvermeidlich.

Nach Berlin übergesiedelt, fand Louise Schroeder im Jahr 1939 Arbeit bei einer Tiefbaufirma. Gesundheitlich angeschlagen, überlebte sie den Krieg in der Anonymität der Großstadt.

Nach Ende des Zweiten Weltkrieges 1945 wird die Berliner SPD wieder aufgebaut. Bei der ersten und einzigen freien Wahl bis zur Wiedervereinigung im Oktober 1946 gewannen die Sozialdemokraten deutlich vor der SED  mit 48,7%, sodass es an der SPD war, einen Oberbürgermeister und seine Stellvertreter zu stellen. Im Zuge dessen wurde Louise Schroeder, die erst vom Stadtverordnetenvorsteher Otto Suhr zur Kandidatur überredet werden musste, am 5. Dezember zur dritten stellvertretenden Bürgermeisterin des amtierenden Oberbürgermeisters Otto Ostrowski ernannt. Abermals wurden ihr typisch weiblichen Aufgaben anvertraut. In ihren Zuständigkeitsbereich fielen neben dem Sozialwesen und der Volksbildung auch Gesundheit und Ernährung, Frauen- und Jugendfragen sowie die Pflege der Verbindung zwischen behördlichen und privaten Einrichtungen der Arbeiterwohlfahrt.

So erwirkte sie die Eröffnung des Jugendamtes und ermöglichte schnelle, unbürokratische Hilfe für Berliner Bürger bei einem Kälteeinbruch und für Flüchtlinge, die aufgrund von Hochwasser im Odergebiet in die Stadt strömten.

Den Gipfel ihrer politischen Karriere markierte die Ernennung zur Oberbürgermeisterin Berlins am 08. Mai 1947. Dies war allerdings einzig der Tatsache zu verdanken, dass der eigentlich „gewählte, aber [durch die Alliierten] nicht bestätigte“ antikommunistische Nachfolger Ernst Reuter das Amt nicht antreten konnte, nachdem Otto Ostrowski aufgrund von innerparteilichen Protesten, er sei mit dem Amt des Oberbürgermeisters überfordert und kooperiere auf eigene Faust mit der SED, zurückgetreten war. In die Amtszeit der Oberbürgermeisterin fiel  auch die Berliner Blockade im Jahre 1948: Als am 23. Juni die Deutsche Mark im Zuge der Währungsreform in der westlichen Besatzungszone, also auch in Westberlin eingeführt wurde, verhängte die Sowjetische Militäradministration noch in der Nacht zum 24. Juni die Blockade, die bis zum 12. Mai 1949 andauerte. Offiziell sprach man von technischen Störungen und Kohleknappheit. Tatsächlich wurde die Stromversorgung gekappt, der Passagier- und Güterverkehr  in den Westteil der Stadt wurde eingestellt. Aufgrund der prekären Lage richteten die Westalliierten Versorgungsflüge ein, man spricht in diesem Zusammenhang auch von der Berliner Luftbrücke.  Dieses Ereignis verdeutlichte, dass sich die deutsch-deutsche Teilung nicht länger aufschieben ließ. Wohlgemerkt: Louise Schroeder appellierte bis zuletzt eindringlich und doch erfolglos, dass man, wolle man die Einheit Berlins retten, auf eine westdeutsche Staatsgründung verzichten müsse.

Louise Schroeder, die im Dezember 1948 ihr Amt als Oberbürgermeisterin aufgab, war bis heute die einzige Frau an der politischen Spitze Berlins. Ebenso war sie 1949 als Kandidatin für das Amt des Bundespräsidenten im Gespräch und zog als Vertreterin Berlins in den Deutschen Bundestag ein. Zudem blieb sie von 1949 bis 1951 Bürgermeisterin von Westberlin.

An ihrem 70. Geburtstag am 02. April 1957 wurde Louise Schroeder als Ehrenbürgerin der Stadt Berlin ausgezeichnet, denn sie setzte sich zeitlebens für Frieden, soziale Gerechtigkeit, Demokratie und Gleichstellung von Frauen und Männern ein und gab verzweifelten Bürgern und Bürgerinnen gerade zu Zeiten der Berliner Blockade Mut und Hoffnung.

Nur wenige Wochen darauf, am 04. Juni 1957 verstarb Louise Dorothea Sophie Schroeder nach schwerer Krankheit in Berlin. Beigesetzt wurde sie an der Seite ihrer Eltern auf dem Friedhof Altona-Ottensen am 20. Juni 1957.

Aufgrund ihrer persönlichen und politischen  Verdienste um die Stadt Berlin wird zu Ehren der „Mutter Berlins“ seit 1998 alljährlich die Louise-Schroeder-Medaille an Frauen und frauenpolitische Organisationen verliehen, die sich in ähnlicher Weise für das Wohl ihrer Mitmenschen einsetzen.

 

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